„Tschüss Schule“ – Verabschiedung unserer ersten Berufsintegrationsklasse

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Stolz haben die Schülerinnen und Schüler unserer ersten Berufsintegrationsklasse an der Wirtschaftsschule im Februar ihr Abschlusszeugnis in den Händen gehalten – schließlich haben zwei Jahre Unterricht und Praktika zur Berufsvorbereitung für die meisten unserer Schüler ein erfolgreiches Ende gefunden: Sie erhalten die „Berechtigung zum Mittelschulabschluss“ mit diesem Zeugnis ausgehändigt. Sieben unserer Schülerinnen und Schüler haben dabei zusätzlich den Sprachstand B1 des Europäischen Referenzrahmens erreicht.

Das Ziel dieser Klassen ist es, den Schülern mit Hilfe dieses Abschlusses einen Übertritt ins Berufsleben zu ermöglichen und – als fächerübergreifende Querschnittsaufgabe – Grundlagen für ein selbstständiges und wirtschaftlich unabhängiges Leben in Deutschland zu vermitteln. Die Pädagoginnen des Bildungsträgers bfz, Christina Francz und Eva-Maria Kirchner, waren in diesem Prozess die ersten und wichtigsten Ansprechpartnerinnen, schulbegleitende Praktika zu organisieren. Das Gelingen der Berufsintegrationsklasse ist ihrem intensiven Austausch mit allen beteiligten Partnern und Institutionen zu verdanken. Ebenso wichtig war der Zuspruch der Betriebe und Firmen des Landkreises Rhön-Grabfeld, für den wir uns herzlich bedanken. Sie haben nicht vor den Herausforderungen der Berufsvorbereitung, die aktive gesellschaftliche Integrationsarbeit mit sich bringt, zurückgeschreckt: Unsere Schülerinnen und Schüler waren betriebliche Praktikanten im Verkauf, im Metallbau, in der Lagerlogistik, in KFZ-Betrieben, im Krankenhaus, bei Ärzten, im Bau und in der Seniorenbetreuung. Weil diese Zeit für die Schüler von Aushandlungsprozessen und neuen Kompetenzerwartungen geprägt war, ist es erfreulich, dass ein Teil der Schüler diese mit Bravour gemeistert und feste Zusagen für Ausbildungsverhältnisse haben. Wenn man berücksichtigt, dass die Schülerinnen und Schüler Deutsch erst für gerade einmal zwei Jahre als Zweitsprache lernen, verdient diese Leistung höchsten Respekt.

Erfahrungen im Praktikum
In Auseinandersetzung mit dem vergangenen Jahr haben die Schülerinnen und Schüler am Schluss ihrer Schulzeit Texte geschrieben, in denen sie von ihren Erfahrungen berichten. Beispielhaft ausgewählt sind die Beiträge von Ali und Alireza, die ihre Praktikumszeit beschreiben. Die Texte wurden nur geringfügig verändert.

Ali notiert: „Ich war montags und dienstags beim Praktikum und am Mittwoch, Donnerstag und Freitag in der Schule. Ich habe viel Erfahrung bekommen und habe auch viel neue Wörter damit gelernt. Ab Mai habe ich bei der Firma Edinger das Praktikum begonnen. Gott sei Dank habe ich einen Ausbildungsplatz bekommen und ich bin sehr froh, dass ich ein bisschen Deutsch gelernt habe.“

Alireza resümiert wie folgt über seine Praktikumszeit: „Ab dem letzten Jahr mussten wir verschiedene Praktika machen und ich hatte Interesse, als Metallbauer zu arbeiten und zum Glück habe ich eine Stelle bei der Firma Sebald-Maschinenbau bekommen. Da habe ich mich sehr gefreut, aber am Anfang war das ein bisschen schwer, weil ich die Mitarbeiter nicht kannte und mit dem Verstehen hatte ich ein bisschen Probleme. Also die Leute sprechen so schnell und ganz unterschiedlich wie wir in der Schule gelernt haben. Aber nach du nach wurde alles leichter und ich bekam jeden Tag eine neue Aufgabe. Manchmal habe ich mit den CNC-Maschinen gearbeitet und musste die Metallteile feilen. Danach war ich bei Lisi Automotive im zweiten Praktikum in Mellrichstadt. Das dauerte nur einen Monat, aber ich fand es gut. Dort war alles ganz ordentlich, aber leider konnten die Praktikanten nicht so viel machen. Danach war ich bei RST in Niederlauer und dort habe ich richtig gearbeitet und durfte viel machen. Ich habe beim Schweißen geholfen und die Teile zusammenschweißt und ich war auch manchmal in der Lackierabteilung und ich hoffe, dass ich irgendwann einen Ausbildungsplatz als Metallbauer kriege.“

Zeit und Lebensgeschichte
Gerade, wenn Schüler aus verschiedenen Ländern in einer Schule aufeinandertreffen, bedeutet das nicht selten eine Begegnung zwischen verschiedenen Werten. Besonders deutlich wird das am Wert der „Zeit“: Das deutsche Wort „Zeit“ entstammt der indogermanischen Wurzel da(i)- und meint „teilen, zerschneiden, zerreißen“ – und dies spiegelt unser Lebensverständnis wieder: Die Vergangenheit ist als Altlast abzuschütteln und die Zukunft steht unter dem Druck, Lebensperspektiven verfestigen zu müssen. Wir leben dadurch in einer ständigen Drucksituation. „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“. Gemäß diesem afrikanischen Sprichwort muss auch den jungen Geflüchteten Zeit zugestanden werden, sich in unserer Gesellschaft einzufinden – und uns bewusst werden, dass nicht alles, das uns fremd erscheint, negativ ist. Vielleicht macht ein geradezu uneuropäisches Zeitverständnis, das das Gesamtgeschehen des eigenen Lebens in den Blick nimmt, die Beständigkeit des Ichs, des Charakters und der Biographie glücklicher als unseres.

Marcel Proksch

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