Egal, wer du bist: Du gehörst dazu
Max Czollek liest in der Wirtschaftsschule aus „Desintegriert euch!“

Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der jede und jeder ohne Angst verschieden sein kann? Es sind Fragen wie diese, die den Berliner Schriftsteller und Lyriker Max Czollek umtreiben. Er ist Publizist und Autor von Essays wie „Gegenwartsbewältigung“ und „Versöhnungstheater“, in denen er sich als wichtige Stimme mit den Themen Migration und gesellschaftliche Identität auseinandersetzt. In der Wirtschaftsschule hat er den SchülerInnen der Wirtschafts- und Fachoberschule sein erstes Buch, die Streitschrift „Desintegriert euch!“, vorgestellt.

Die Frage, wer das „Wir“ in unserer Gesellschaft ist, zieht sich wie ein roter Faden durch die Lesung in der Aula – und damit auch die Überlegung, wer in diesem „Wir“ ein- und ausgeschlossen ist. Für manche Menschen hat dieses „Wir“ eine Kehrseite, die sich in mangelnder Anerkennung und Sichtbarkeit äußert und zu Hass und bewusster Ausgrenzung führen kann: „Was ist an unserem Denken so eingerichtet, dass rassistisches, fremdenfeindliches und rechtes Denken möglich werden?“, fragt Czollek.

Sein Buch bietet einen über Grenzen hinausdenkenden Gegenentwurf, denn er sieht vor allem in einer Desintegration eine Chance – nämlich die Akzeptanz einer Unterschiedlichkeit, in der jede und jeder in der ersten Reihe stehen kann. Dies ermöglicht eine diverse, anerkennende und offene Gesellschaft, in der Herkunft, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung keine Rolle spielen.
Dem gegensätzlichen Einwand, dass eine Gesellschaft durch Vielfalt bedroht sei, begegnet er mit dem Hinweis auf die Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts. Diese seien nicht durch Vielfalt ausgelöst worden, sondern durch ein enges, ausgrenzendes und völkisches „Wir-Gefühl“.

Besonders gefährlich für unsere Demokratie seien Zündschnüre, die bis in diese Zeit zurückreichen: So setzt sich unsere Gesellschaft in Worten, Reden und symbolischen Handlungen prominent für Jüdinnen und Juden ein, toleriert aber gleichzeitig antisemitische Äußerungen oder belohnt sie sogar mit Wahlerfolgen. Nicht ganz unbegründet erscheint deshalb die Frage, wie ernst es uns Deutschen eigentlich mit unserer Verpflichtung zum „Nie wieder!“ nach den Gräueltaten im Nationalsozialismus ist.